Forschungsprojekt "HILDE"

Projektbeschreibung

Im Jahr 2018 lebte ein Drittel der über 65-Jährigen in Deutschland in einem Einpersonenhaushalt, bei den über 90-Jährigen waren es sogar fast 70%. Die soziale Teilhabe der Gruppe der Älteren nimmt stetig ab, was in Corona-Zeiten durch politische Maßnahmen noch verstärkt wurde. Diese Situation hat den Bedarf nach Überbrückungsstrategien von räumlichen und sozialen Distanzen deutlich gemacht. Soziale Netzwerke können die Lebensqualität von Menschen im Alter positiv beeinflussen, freundschaftliche sogar mehr als familiäre, und gelten als protektiver Faktor gegen Einsamkeit. Hier setzt das Forschungsprojekt HILDE an.

Mit HILDE soll die Videotelefonie und die Kommunikation über Distanz durch Tangible User Interfaces sinnlich erweitern. Der Tastsinn ist der grundlegendste Sinn des Menschen und hat eine hohe Bedeutung für den sozialen Austausch. Durch haptische Stimulation können kognitive wie seelische Fähigkeiten und damit das Wohlbefinden und die Autonomie nachweislich positiv beeinflusst werden. Nutzerinnen und Nutzer von HILDE sollen ihr Gegenüber nicht nur sehen und hören, sondern auch fühlen und begreifen und ihre Hände und den Körper zur Kommunikation einsetzen können.

Kooperationspartner "HILDE"

Der Name "HILDE" steht für Haptische Interfaces für lebendige digitale Erfahrungen und ist ein Forschungsprojekt der HTW-Dresden in Kooperation mit der

und dem Gulielminetti Seniorenwohn- und Pflegeheim.

Projektauftakt 28. September 2023

Projekt HILDE bringt drei Generationen zusammen

Gulielminetti-Haus ist Kooperationspartner beim Forschungsprojekt der Hochschule Dresden

„Früher hat sie uns immer angeregt, etwas Neues zu lernen. Nun ist es umgekehrt. Wir Kinder und Enkel motivieren die Mutter und Oma, etwas neues auszuprobieren“, sagt der Sohn von Elke Pätzold. Die Seniorin lebt im Gulielminetti-Seniorenheim und ist eine von zehn Bewohnern, die am Forschungsprojekt zum Thema Nähe über Distanz der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden teilnimmt.

Auslöser des Projekts war eigentlich die Corona-Pandemie, führte Daniel Kahl bei der Infoveranstaltung im Gulielminetti-Haus ein. Jüngere Menschen hatten es damals leichter gehabt, durch technische Möglichkeiten in Kontakt mit Familie und Freunden zu bleiben. „Alleinlebende Ältere und Bewohnern von Einrichtungen blieben diese Kontaktmöglichkeiten aus verschiedensten Gründen verwehrt“, so der Pflegedienstleiter. Er und Kollegin Claudia Schien, Leitung der Sozialen Betreuung, sind in der Rotkreuz-Einrichtung die verantwortlichen Ansprechpartner für das Projekt von Professorin Joanna Dauner. Sie lehrt an der Hochschule Dresden Grundlagen der Gestaltung an der Fakultät Design. Das dreijährige Forschungsvorhaben von Professorin Dauner und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Katrin Baumgarten hat zum Ziel, die soziale Teilhabe der Gruppe der Älteren durch geeignete Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern.

Der Projektname HILDE stehe für haptische Interfaces für lebendige digitale Erfahrungen, so Professorin Dauner und erklärte sogleich, was es mit diesen wissenschaftlichen Begriffen auf sich habe. „Wir möchten die Video-Telefonie und damit den Austausch mit Nahestehenden, die nicht persönlich vorbeischauen können, mittels einer idealen Technologie leichter anwendbar machen.“ Die Bedienoberfläche eines Tablets soll eigens für die speziellen Bedürfnisse von älteren Nutzern gestaltet werden. Hierzu möchte sie das Wissen der Seniorinnen und Senioren in der Rotkreuzeinrichtung nutzen. „Sie sind die Alltagsexperten, die das neu entwickelte Tablet ausprobieren sollen und uns Forschern ihre Erfahrungen und Anregungen zurückmelden“, sagte sie.

Bei der Projektvorstellung im Gulielminetti-Haus waren außerdem Schülerinnen zu Gast. Die Teilnehmerinnen eines P-Seminars vom benachbarten Gymnasium Marktoberdorf sind ebenfalls in das Projekt HILDE eingebunden. Sie werden die zehn Bewohnerinnen und Bewohner in den nächsten Wochen bei der Nutzung des digitalen Geräts begleiten und Hilfestellungen geben, wie zum Beispiel beim Kontakte anlegen, via Zoom zu telefonieren oder die anderen Angebote auf dem Tablet zu entdecken. Ihre Lehrerin Stefanie Rüger findet, „dass das für die medienkompetenten Schülerinnen ein großartiges Thema ist.“ Ein weiterer Gast, die Seniorenbeauftragte des Lions Club Marktoberdorf, Martina Singer, zeigte sich vom Projekt HILDE beeindruckt und kündigte die Unterstützung von Seiten des Charity-Vereins an.

Demnächst folgen vier Workshops, in denen die Erfahrungen der am Projekt beteiligten Bewohner, Mitarbeitenden, Schülerinnen und der Angehörigen diskutiert werden sollen. Auch Letztere zeigen sich dem Projekt gegenüber aufgeschlossen und wollen sich miteinbringen. „Mein Vater hat motorische Probleme, ein Tablett zu bedienen“, beschreibt Andreas Filke die bisherigen Erfahrungen. Während Michael Pätzold eine weitere Hemmschwelle benennt, nämlich die Angst, bei der Internetnutzung unbeabsichtigt ein Abo abzuschließen. Klaus Kühn, Vorsitzender der Bewohnervertretung im Gulielminetti-Haus, zeigt sich an einer Sprachsteuerung interessiert.

In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Hochschulprojekt fließt das Fachwissen weiterer Kooperationspartner ein. Professorin Dauner konnte die Forschungsgruppe Geriatrie der Charité in Berlin, das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, das Awesome Technologies Innovationslabor sowie das Start-up Unternehmen Lylu, das älteren Generationen digitale Angebote zugänglich machen möchte, für die Entwicklung von HILDE gewinnen. Mag es für die Jüngeren am Projekt Beteiligten noch in weiter Ferne erscheinen, brachte es der abschließende Satz von Joanna Dauner auf den Punkt: „Es geht auch um unsere Zukunft, denn wir werden alle mal alt.“

Fotos: Severin Göbel-Groß, HTW Dresden und BRK Ostallgäu

Workshops im Oktober 2023

Im Oktober fanden vier Workshops statt, in denen die Erfahrungen der am Projekt beteiligten Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitenden, Schülerinnen und Angehörigen diskutiert wurden. Auch Letztere zeigten sich dem Projekt gegenüber aufgeschlossen und brachten sich engagiert mit ein.

Fotos: Severin Göbel-Groß, HTW Dresden

Projektbegleitung durch Gymnasium Marktoberdorf

Wie vielseitig die Teilnehmerinnen des P-Seminars 'Aktiv sein - aktiv bleiben' des Gymnasiums Marktoberdorf sind, zeigt sich darin, dass vier Mädchen den Seniorinnen und Senioren im Rahmen des Forschungsprojekts HILDE den Umgang mit dem Tablet näherbringen. Dies habe inzwischen bereits bis zur eigenständigen Videotelefonie geführt. Ein großer Erfolg, finden Renate Dauner (Einrichtungsleitung Gulielminetti-Haus) und Stefanie Rüger (Gymnasiallehrerin), ist die Handhabung des Tablets mit all seinen verschiedenen Möglichkeiten doch gar nicht so einfach.

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