Abgeschirmt im Seniorenheim – Wie gehen Bewohner, Mitarbeiter und Angehörige mit der Corona-Situation um?

BRK Kreisverband / Gulielminetti Haus / Clemens-Kessler-Haus

So oft es das Wetter zulässt unternehmen die Betreuer mit den Bewohnern Spaziergänge im Garten des Gulielminetti Seniorenheims. Um für weitere Abwechslung zu sorgen bauen die Ergotherapeuten neuerdings sogar die Ergometer im Garten auf. Foto: R. Dauner
So oft es das Wetter zulässt unternehmen die Betreuer mit den Bewohnern Spaziergänge im Garten des Gulielminetti Seniorenheims. Um für weitere Abwechslung zu sorgen bauen die Ergotherapeuten neuerdings sogar die Ergometer im Garten auf. Fotos: R. Dauner

Vor rund einem Jahr zog seine 87-jährige Mutter ins BRK Gulielminetti Senioren- und Pflegeheim Marktoberdorf. Fast täglich besuchten Jörg Schneider und seine Geschwister die Seniorin. Doch seit 11. März ist alles anders: Mit dem „Betretungsverbot für Besucher von Heimen und Krankenhäusern“ des Landratsamtes war es vorbei mit dem direkten Kontakt. „Die Idee ist gut und richtig. Risikobehaftete Bürger, eben Alte und Kranke, müssen besonders geschützt sein, dürfen sich auf keinen Fall infizieren, müssen abgeschirmt werden. Das kann man gut verstehen und dennoch schmerzt es. Beide Seiten“, sagt Schneider.

Immer wieder gehen seine Gedanken in das Seniorenheim. Immer wieder fragt er sich: Was macht meine Mutter wohl den ganzen Tag? Aber er überlegt sich auch: Wie ist diese Ausnahmesituation aus Sicht der Hausleitung und der Mitarbeiter zu schaffen?

Es gilt in Corona-Zeiten mehr denn je: Die Pflegekräfte sind ausschließlich für die gewissenhafte Pflege zuständig. Das Team der sozialen Betreuung des Heimes ist für die individuelle Einzelbetreuung und den erhöhten Redebedarf der Senioren sowie deren Angehörige verantwortlich, erklärt Renate Dauner, Einrichtungsleitung im Gulielminetti Haus. Zentrale Aufgabe ist es, die Verbindung zwischen Bewohnern und Angehörigen auf verschiedenste Weise zu ermöglichen: per Telefon, Mail, Brief und neuerdings auch via Skype. „Da vereinbaren wir aus organisatorischen Gründen sogar Gesprächstermine“, erklärt Claudia Schien, Leitung der Sozialen Betreuung.

Bewohner tragen Abschirmung mit Fassung und Zuversicht

Viele der Bewohner nähmen die neue Situation ganz gelassen hin, beobachtet Annemarie Heider, Kollegin im nahen BRK Clemens-Kessler-Haus. Eine betagte Seniorin sagte zu ihr: „Wir haben schon so viel mitgemacht, das ist für uns jetzt nicht schlimm.“ Cornelia Jeschek, stellvertretende Leitung der Sozialen Betreuung im Gulielminetti ist beeindruckt, wie die Senioren die verordnete Abschirmung mit Fassung aber auch mit großer Zuversicht tragen. „Ich habe ein sicheres Gefühl, aus der Sache gut rauszukommen“, sagt ein Mitglied der dortigen Bewohnervertretung. Aber natürlich schmerze es viele mit jeder weiteren Woche, wo sie keinen Besuch bekommen dürfen. Das zeige sich an den emotionalen Reaktionen beim Vorlesen eines Briefes oder nach einem Telefonat, so Jeschek. Sie erzählt auch von den rüstigen Bewohnern im Haus, die in normalen Zeiten das Haus für Spaziergänge verlassen. „Sie möchten wissen, wie es dem Grab geht.“

„Um die Anforderungen durch die Pandemie und damit den Schutz der Bewohner zu gewährleisten, sind die Pflege-, Betreuungs- und Hauswirtschaftsstrukturen ganz eng und bis ins kleinste Detail festlegt“, erklärt Dauner und ist froh, dass ihr Haus und auch das Clemens-Kessler-Haus bisher von einer Corona-Infektion verschont blieben. Sämtliche Corona-bedingten Neuerungen und offenen Fragen werden in dem vom BRK Kreisverband Ostallgäu regelmäßig abgehaltenen Lagezentrum abgestimmt. Dort treffen sich Geschäftsführer Thomas Hofmann, Sachgebietsleiterin Renate Dantinger und die Vertreter der Pflege- und Eingliederungshilfe des Kreisverbands.

Regelmäßige Schulung der Mitarbeiter

„Mit jedem Tag gibt es weitere Erkenntnisse über den Covid19-Erreger. Diese schlagen sich in behördlichen Regelungen nieder, die wir rasch umsetzen müssen“, beschreibt Hofmann die derzeitige Lage. Die Einrichtungsverantwortlichen geben das neue Wissen in Schulungen an ihre Mitarbeiter weiter. „Corona bedeutet für die Einrichtungs- und uns Pflegedienstleiter als Pandemiebeauftragte der einzelnen Häuser eine rund um die Uhr Erreichbarkeit“, erklärt Daniel Kahl vom Gulielminetti. Es sei eine hohe Verantwortung, aber er empfinde es als positiv anstrengend, „denn die Angehörigen und Bewohner haben das Vertrauen in uns gesetzt und dem wollen wir gerecht werden.“ Kahl und seine Kollegin Ramona Köhler vom Clemens-Kessler-Haus sind voller Wertschätzung, wie alle Mitarbeiter mit der Sondersituation umgehen. Es bestehe zur psychischen Entlastung immer das Angebot der Supervision, wenn dies von Einzelnen gewünscht werde, ergänzen sie.

Die vorgeschriebene Schutzkleidung verhindert Ansteckung. Doch verloren geht die Gesichtsmimik. Sie bleibt hinter der Maske verborgen. „Uns bleiben im Umgang mit den Bewohnern nur die Augen und die Stimme als Helfer, die wir emotional einsetzen können“, bedauert Jeschek. Die wärmende, tröstende Hand, die hält, ist ebenso wie eine Umarmung unter Corona gestrichen. Es bleiben nur die wärmenden Sonnenstrahlen. „So oft es das Wetter zulässt machen wir mit den Bewohnern Spaziergänge im Garten.“ Fehlende Nähe, alleine Essen auf dem Zimmer, kein Rätsel-Wettstreit unter den Bewohnern, all dies könne längerfristig durchaus zu einem geistigen Abbau führen, befürchtet Jeschek. „Doch obwohl viel weggebrochen ist, ertragen die Bewohner es mit Humor und sind dankbar für jede Abwechslung“. Und Jeschek selber, wie geht sie mit der Situation und der täglichen Belastung des – solange es keinen Impfstoff gibt – verbleibenden Restrisikos einer Ansteckung eines Heimbewohners um? Sie tröstet sich und die Kollegen mit ihrem Leitspruch für diese Zeit: ‚Humor ist ansteckend, macht aber nicht krank‘ und setzt dies so oft als möglich um.

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